Am 3.7.2024 fuhren die zwei Geschichtsleistungskurse des Beethoven-Gymnasiums in die Eifel zum Dokumentationszentrum Vogelsang IP. Die „Ordensburg Vogelsang“ blickt auf eine überaus ambivalente Geschichte zurück.
Nach der Machtübernahme der NSDAP 1933 versuchten die Nationalsozialisten, in der breiten Masse der Bevölkerung Akzeptanz zu gewinnen. Außerdem wollte man junge Männer zu Führungskräften ausbilden, um langfristig die Macht zu sichern. Dazu begann 1934 u.a. der Bau der NS-Ordensburg Vogelsang. Die Idee kam vom Reichsorganisationsleiter Robert Ley. Dieser plante, junge Männer zwischen 23 - 26 Jahren zu disziplinieren, ihnen die NS-Ideologie einzutrichtern und sie zu Führungspersönlichkeiten auszubilden, die in der Verwaltung der zukünftig eroberten Gebiete im Osten Karriere machen sollten.
Finanziert wurde alles durch die Enteignung der Gewerkschaften am 2.5.1933, von Robert Ley persönlich veranlasst. Auch die Wahl des Standortes war ausgeklügelt: In der wirtschaftlich schwachen Eifel hatte die NSDAP im landesweiten Vergleich damals wenige Wähler. Viele Menschen waren arbeitslos. Indem die Nazis nun genau hier eine solche Ausbildungsstätte errichteten, schufen sie viele Arbeitsplätze und gewannen Sympathien bei vielen Menschen vor Ort. Doch das war nicht der einzige Faktor: der atemberaubende Ausblick und die Natur der Umgebung imponierten den jungen Männern, die oft aus beengten Wohnverhältnissen kamen.
Außerdem bot man ihnen eine Perspektive, die viele von ihnen sonst nicht hatten:
Die meisten waren schon lange arbeitslos, hatten keine abgeschlossene Lehre und erst recht keinen Universitätsabschluss. Hier konnten sie eine Uniform tragen, die ihnen in der Gesellschaft Respekt verschaffte. Sie konnten Reiten und Fechten lernen, zudem gab es viele weitere Sportangebote auf dem Gelände, die den Männern zur Verfügung standen. Jeden Tag bekamen sie drei Mahlzeiten auch mit Fleisch serviert, was für alle andere eine Ausnahme blieb.
Man versprach ihnen Karriereoptionen. Und alle Kosten wurden vom Staat übernommen.
Es ist nachvollziehbar, dass diese Perspektive viele junge Männer reizte. Doch nicht jeder konnte hier leben: nur Männern, die dem Ideal der Nazis entsprachen, wurde ein Platz angeboten. Zudem mussten sie sich den Befehlen der NSDAP bedingungslos unterwerfen.
Sie mussten nicht nur Parteimitglied sein, sondern bereits auffallendes Engagement im Sinne der Partei nachweisen.
Der Alltag auf der Ordensburg war darauf ausgerichtet, den angehenden Führern Disziplin und Stärke beizubringen. Außerdem sollten sie verinnerlichen, dass sie als Individuum keinen Wert haben und sich dem Wohl des Volkes unterzuordnen haben. Es gab keine Privatsphäre, man schlief mit seinen Kameraden im selben Zimmer, man aß zusammen und hatte nur einen Tag im Monat, den man etwas freier gestalten konnte. Welchen Einfluss diese Erziehung auf die jungen Männer hatte, zeigte sich nach Ausbruch des Krieges: sie alle wurden als einfache Soldaten Teil der Wehrmacht. Viele von ihnen meldeten sich im Glauben, stärker als die anderen zu sein, freiwillig an die erste Frontlinie. Von den 2400 eingezogenen Ordensjunkern (Bezeichnung für diese jungen Männer) überlebten nur ca. 750 die ersten beiden Kriegsjahre. Einige von ihnen wurden ab 1941 in den eroberten Gebieten der Sowjetunion, insbesondere in der Ukraine, eingesetzt, wo sie zu Schreibtischtätern der Shoa wurden, die stolz darauf waren, ihre Vorgaben zur „Säuberung“ ihrer Gebiete in kürzester Zeit zu erfüllen.
Die Führung machte Jean-Marie Malaise, ein seit längerem pensionierter NATO-Offizier der belgischen Streitkräfte, der sehr eindrücklich schilderte, wie er selbst früher ohne zu zögern im Kriegsfall auf Befehl Atomwaffen eingesetzt hätte. Er brauchte Jahre um zu verstehen, dass er damit Parallelen zu den Ordensjunkern aufweist. Er macht diese Führungen heute, um vor allem jungen Menschen klar zu machen, dass sie immer jede politische Richtung wachsam und kritisch hinterfragen müssen.
Der Besuch dieses außergewöhnlichen Ortes hat uns allen viel Stoff zum eigenen Nachdenken gegeben.
Benedikt Heimes Q1