Von Austausch bis Zuflucht: Die Q1 zu Besuch bei der Synagogen-Gemeinde in Köln

Am 18. Januar 2023 haben der Religions- und der Geschichts-Grundkurs mit Frau Schaaf die Synagogen-Gemeinde in Köln besucht. Bei einer eindrucksvollen Führung haben wir viel über jüdisches Leben heute und den Umgang mit Antisemitismus gelernt.

Mit der Bahn in Köln angekommen, mussten wir, um die Synagoge in der Roonstraße betreten zu können, erst einmal einzeln eine Sicherheitskontrolle passieren; schon im Vorfeld hatten wir uns alle namentlich angemeldet. Erst im Laufe der Führung wurde uns verständlich, warum die Synagogen-Gemeinde, die knapp 4000 Mitglieder hat, so viele Sicherheitsmaßnahmen ergreifen muss. Begrüßt wurden wir von Yael, unserer Begleitung an diesem Tag. Bevor wir in die eigentliche Synagoge gingen, schauten wir uns zuerst ein Museum im Erdgeschoss an. In dem Gebäude der Gemeinde ist nämlich nicht nur der Synagogenraum untergebracht, sondern auch Büros und Gemeinschaftsräume, sogar ein koscheres Restaurant. Während der Führung begegneten uns einige Erwachsene, aber vor allem viele Kinder, die ihren Nachmittag mit Religionsunterricht oder einfach bei einem Freizeittreffen im Haus der Gemeinde verbrachten.

Im Museum selbst waren viele Exponate ausgestellt, die von der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Köln, insbesondere aus der Zeit vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten, erzählt haben. Zu dieser Zeit gab es um die 20.000 Juden in Köln und wesentlich mehr Synagogen, von denen hier auch Modelle ausgestellt waren. So konnten wir uns gut vorstellen, wie rege und vielfältig das Gemeindeleben gewesen sein muss: Es gab jüdische Schulen, Friedhöfe und vieles mehr. Im Museum lernten wir auch einige Grundlagen des jüdischen Glaubens kennen und besser verstehen. Dazu gehört etwa der Gebetsmantel, Tallit genannt, oder die Feiertage wie Chanukka und Jom Kippur. Um nun die Synagoge betreten zu können, mussten alle Jungen ihren Kopf bedecken – ein Zeichen für den Respekt vor Gott. Wer keine Mütze dabei hatte, konnte sich eine Kippa ausleihen. Yael konnte sehr schlüssig erklären, wie sich bestimmte Bräuche des Judentums begründen. Das half uns dabei, latente Vorurteile oder Vorannahmen auszuräumen. So kam uns die jüdische Kultur näher, indem wir die Bedeutungen von Symbolen und Ritualen nachvollzogen.

Auf dem Weg in den Synagogenraum kamen wir auch durch die Trauerhalle. Dieser Raum wurde geschaffen, um aller jüdischen Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken, weil die meisten im Dritten Reich ermordeten Juden kein Grab haben. Im Judentum spielt es nämlich eine große Rolle, dass der Ort für ein Grab nur ein einziges Mal vergeben wird und die Hinterbliebenen zum Trauern immer dorthin zurückkehren können. Leider – so berichtete unsere Begleitung – nutzen immer weniger Menschen heute diesen Ort des Gedenkens.

Schließlich betraten wir die Synagoge selbst, wo wir die Gelegenheit hatten, Yael Fragen zu stellen. Sie brachte uns sehr eindrucksvoll näher, was es bedeutet, heute in Deutschland Jude oder Jüdin zu sein. Dabei fand sie geschickt einen Mittelweg, uns unsere Fragen zu beantworten, auch aber von Dingen zu erzählen, nach denen zu fragen wir uns nicht getraut hätten.

Obwohl sie selbst nicht streng gläubig ist, hat sie schon seit ihrer Kindheit immer wieder mit Ausgrenzung und auch körperlicher Gewalt umgehen müssen. Auch die Gemeinde hat immer wieder mit Schmierereien am Gebäude und Angriffen zu kämpfen. Da Yael auch Veranstaltungen für die Gemeinde organisiert, konnte sie uns aus erster Hand berichten, wie notwendig die Sicherheitsvorkehrungen sind. Beispielsweise werden die jüdischen Teilnehmenden der von ihr organisierten öffentlichen Treffen von den Sicherheitsleuten dazu angewiesen, Anfeindungen zu ignorieren und sich nicht auf Diskussionen einzulassen. Besonders schockiert hat uns, dass sie selbst schon wegen eines T-Shirts oder eines Schriftzuges auf ihrem Schreibblock Anfeindungen ausgesetzt war und dass sie sich durchaus vorstellen könne, nach Israel zu ziehen, da sie nur wegen ihrer Familie noch in Deutschland lebe.

Beeindruckend war auch die Gastfreundschaft der Gemeinde. Yael hatte uns schon erklärt, dass Wohltätigkeit der höchste Wert des Judentums sei und jede*r in seinem Leben versuche, die Welt ein wenig besser zu machen. Trotzdem war es überwältigend, wie selbstverständlich das für unsere Gastgeber*innen war. Wir durften mehr als anderthalb Stunden in der Synagoge verbringen, und das in dem Raum, der eigentlich für das Gebet der Männer vorgesehen ist. Außerdem hatten die Gemeindemitglieder ihr abendliches Gebet verlegt, solange wir noch in dem Raum saßen. Für diesen herzlichen Empfang und die tolle Führung sind wir wirklich dankbar!

 

Auf dem Rückweg waren wir alle überwältigt von den Eindrücken des Tages. Bei der Reflexion des Erlebten im Unterricht am Tag darauf kam mehrfach zur Sprache, wie fassungslos wir darüber sind, dass antisemitische Angriffe für Kölner Juden und Jüdinnen im Jahr 2023 so allgegenwärtig sind. Und das fasst eigentlich sehr gut zusammen, zu welcher Erkenntnis wir durch unseren Besuch gekommen sind: Auch wenn Antisemitismus uns nicht präsent erscheint, ist er immer noch ein akutes Problem. Wenn man Antisemitismus oder andere Ausgrenzungen wahrnimmt, dann darf man nicht wegsehen. Zudem ist uns bei dem Ausflug sehr deutlich geworden, dass Dokumentationen oder Zeitungsartikel nie die persönliche Begegnung ersetzen können. Deshalb lohnt es sich auf jeden Fall, den Kontakt mit anderen Kulturen und Religionen, aber auch einfach mit Menschen anderer Meinung zu suchen und offen und interessiert auf sie zuzugehen.