SchülerInnen der Q1 zu Gast im Center for Life Ethics/haus_für_JUNGES_ denken

Schule ist mehr als die Summe ihrer Pflichtfächer; dieser Einstellung unserer Lehrkräfte verdanken wir den Ausflug am 14. Februar 2023 ins Ethikinstitut, Center for Life Ethics in Bonn.

Wie aber vermittelt man Schüler*innen einen Perspektivwechsel, wie lehrt man sie, vermeintlich Unumstößliches zu hinterfragen?

Ein Baustein ist die Auseinandersetzung mit Themen, die jungen Menschen weit weg erscheinen, die jedoch wichtige Fragestellungen des Lebens betreffen wie bspw. die Sterbehilfe. Sie scheint uns zunächst nicht zu betreffen, sondern Thema alter Menschen zu sein. Aber auch junge Menschen geraten in gesundheitlich ausweglose Lagen, kleine Kinder, deren Eltern Entscheidungen für sie treffen müssen; auch die Generation unserer Väter und Mütter ist betroffen.

Frau Prof. Dr. Woopen ist Expertin auf diesem Gebiet, setzt sich seit Jahren mit diesem Thema auseinander und vermittelte uns nicht nur Realitäten, sondern ebenso philosophische und religiöse Perspektiven. Wir fertigten eigene Präsentationen zu Fragen der Sterbehilfe an, nahmen unterschiedliche Positionen ein und tauchten daher schrittweise und ohne Berührungsängste in die Kontroverse ein. Was ist bspw. eine Patientenverfügung, warum braucht man diese, haben wir eine oder unsere Eltern und was kann man mit ihr regeln? Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod ist zweifellos kein schönes Thema; verpasst man jedoch den Zeitpunkt, den Fall der eigenen gesundheitlichen Ohnmacht zu regeln, kann dies „lebenslanges“ körperliches Gefängnis bedeuten.

Gibt es in dieser ausweglosen Situation noch Optionen, das eigene Leben zu gestalten? Hier schloss sich die Frage der Tötung auf Verlangen an, in der ein Patient oder eine Patientin nicht mehr in der Lage ist, seinem Leben selbst ein Ende zu bereiten. Persönlich habe ich diese Situation bei einem Freund meiner Eltern erlebt, den wir seit Kindertagen kannten. Er war nach einem schweren Unfall vom Hals abwärts an gelähmt und hatte zwischenzeitlich die ernste Absicht, dem ein Ende zu setzen. Er empfand sein Leben nicht mehr als lebenswert, hatte jedoch die Entscheidungsmöglichkeit verloren, dieses Ende selbst herbeizuführen. Darf ein Dritter hier behilflich sein, hätte ein Arzt oder ein Angehöriger ihm eine entsprechende Tablette in den Mund legen dürfen? Das Gesetz zieht hier teils klare Grenzen, indem es das Besorgen eines tödlichen Medikaments als Beihilfe zur Selbsttötung definiert, das Verabreichen jedoch als Tötung auf Verlangen. Verbliebene Grauzonen müssten dringend rechtlich geregelt werden, um Sicherheit zu schaffen; bislang ist jedoch wenig geschehen, vielleicht auch, weil es sich um ein so sensibles Thema handelt. 

Immer erlaubt ist die seelische Unterstützung von Menschen, die sich in einer solchen Situation befinden. Der Glaube kann hier wichtige Beiträge leisten und muss nicht zwingend in eine Richtung abzielen. Hier schließt sich die Frage an, inwieweit Suizid mit dem christlichen Glauben vereinbar ist, einem Glauben, der jedes menschliche Leben als von Gott gewollt betrachtet.

In einem Rollenspiel haben wir ganz praktisch geübt, wie man in einer Familie mit einer solchen Situation umgehen könnte, wie praktische Unterstützung aussieht, wie man Angehörige in Fragen der Sterbehilfe begleiten kann. Wie kann man als Ehemann oder Ehefrau mit einem Sterbewunsch umgehen, wie als Arzt, wie als Kind?

Was haben wir an diesem Tag gelernt, was haben wir für unser Leben mitgenommen? Wir lernten, uns mit schwierigen Themen aus vielen Perspektiven auseinanderzusetzen, wir lernten, unsere instinktiven Reaktionen zu hinterfragen und zu überdenken, und wir lernten, die verschiedenen Sichtweisen der Menschen zu akzeptieren. Abgerundet wurde der Tag durch die Möglichkeit, Frau Prof. Dr. Woopen ganz persönliche Fragen zu stellen und so auch ihre Sichtweise kennenzulernen, die sie als langjähriges Mitglied des Ethikrates gewonnen hat.

Wir werden diesen Tag als Teil unseres „Rucksacks“ in Erinnerung behalten, den wir im Leben brauchen werden.

von Charlotte Ramirez Schulschenk, Q1