Besuch von Frau Hoffmann-Heinen

Tragische Dinge passieren im Leben eines jeden, niemandem werden Schicksalsschläge oder einschneidende Erlebnisse im Leben erspart. Die Frage, wie sie mit solchen Ereignissen umgeht, hat Frau Hoffmann-Heinen längst für sich beantwortet: in einer Art und Weise, die vielleicht nicht viele von uns wählen würden. Sie protestiert, sie demonstriert und sie übertritt unter anderem für ihre Ziele die Grenzen der Gesetze. Am 6. Juni besuchte sie einige Oberstufenkurse, um über ihre Beweggründe und ihr Handeln Auskunft zu geben.

Aufgewachsen in einem Dorf in der Nähe von Mönchengladbach, erlebte sie in den 1980er Jahren selbst, dass just dieses Dorf zum Zwecke des Abbaus von Braunkohle im Tagebau Garzweiler II zerstört werden sollte. Vor diesem persönlichen Hintergrund entschied sie sich, gehört werden zu wollen, sich zu engagieren und gezielte Protestaktionen durchzuführen.

Bei ihrem Besuch am BG gewährte sie uns Schülerinnen und Schülern einen tiefen Einblick in ihr privates Leben. Sie schilderte uns ihre Gefühle, als ihr Geburtsort vernichtet werden sollte. Die Großeltern verloren durch die stetige Erweiterung der Braunkohlegebiete ihre Bauernhöfe, auf welchen sie selbst schon aufgewachsen waren; der Betreiber Rheinbraun (heute RWE) versuchte, die Zustimmung der Bevölkerung durch Ausgleichszahlungen zu kaufen. Besonders geschmerzt hat Frau Hoffmann-Heinen damals nicht die Notwendigkeit eines Umzuges an sich, sondern das erzwungene Verlassen der gewohnten Gemeinschaft und des täglichen Lebensbereiches. „Für mich gibt es ein Leben vor und nach der Genehmigung von Garzweiler II“, so spricht sie heute darüber.

Die Anfeindungen, mit welchen sie leben musste, nachdem sie als Berufsschullehrerin aktiv Flyer in ihrer Schule verteilt hatte und daraufhin ihr Auto beschmutzt wurde, haben sie nicht einschüchtern können. Über ihr Engagement jedoch verlor sie den engen Kontakt zu ihrer Familie, die sie zwar nie ganz hinter sich ließ, von der sie sich aber zunehmend entfremdete: Ihre Familie zog aus denselben Erlebnissen ganz andere Schlüsse und fand Sinn und Lebensaufgabe nicht in Klimaprotesten.

Trotzdem, so sagt sie, werde sie ihr Handeln niemals bereuen und niemals ändern. Man kann ihr daher Glauben und Vertrauen schenken, wenn sie sagt, sie wolle niemals aufhören, sich um betroffene Dörfer zu kümmern, für diese zu kämpfen und ihre ganze Hoffnung in uns, in die Jugend zu setzen, die wach bleiben soll und die Augen nicht verschließen.

Wir können dankbar sein um wache Menschen, um engagierte Menschen, um Menschen mit einer festen Haltung. Haltung ist es, die eine Gesellschaft trägt. Die Frage ist, welche Grenzen man für seine Haltung, die nicht jeder teilen mag, sprengt. Für Aktivist*innen wie Frau Hoffmann-Heinen sind strafrechtlich relevante Delikte wie die Zerstörung von Eigentum probate Mittel im Kampf gegen eine Gesellschaft, die Energie ohne Rücksicht auf Verluste um den Preis von Lebensraum gewinnen will.

Ob aber die Aufgabe demokratischer Prinzipien zugunsten größerer gesellschaftlicher Freiheit, ob die Missachtung strafrechtlicher Regeln zugunsten des deutlichen Protests für das Zusammenleben in einem Staat wirklich der richtige Weg ist, muss man laut Frau Hoffmann-Heinen auch immer wieder für sich hinterfragen.

Charlotte Ramirez Schulschenk, Q2