Begegnung in Zeiten zwischen Ausgrenzung und Integration

 

Donnerstag, 14. November 2019; eine volle Aula, gespannte Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer. Die Themen des Abends: Antisemitismus, seine Folgen und was unsere Gesellschaft dagegen tun kann. Der Sprecher des Abends: Herr Abraham Lehrer.

In seinem Vortrag „Wer bin ich?“ berichtete der Sohn von Holocaustüberlebenden u.a. darüber, wie sich die Erfahrungen seiner Eltern auf seine Jugend und sein soziales Umfeld, auf sein Verhalten und das Familienleben ausgewirkt haben.

Zunächst stellte sich Herr Lehrer den Anwesenden vor und erzählte, wie er in seiner Kindheit mit seinen Eltern aus New York zurück nach Europa kam. Die Eltern, die beide die Vernichtungslager des NS-Regimes überlebt hatten, waren nach Kriegsende in die USA gegangen, konnten sich aber nicht zum Bleiben durchringen. Das eigentliche Ziel bei der Rückkehr sei Amsterdam gewesen, die ganze Familie sei aber aufgrund eines sehr guten beruflichen Angebots für den Vater in Köln geblieben. Seine Erziehung sei besonders durch seinen Vater religiös geprägt worden, wodurch er schon früh Teil der jüdischen Gemeinde Köln wurde und sich in der Jugendarbeit engagierte.

Heute ist Herr Lehrer Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Präsident des jüdischen Wohlfahrtsverbandes. Nach einem kurzen Vortrag, in dem er wichtige Stationen seines Lebens vorstellte, eröffnete er eine große Fragerunde und forderte die Zuhörer auf, ihm alle möglichen Fragen über Erfahrungen, Persönliches und Politisches zu stellen. Er ging auf jede der vielfältigen Fragen sehr persönlich und umfassend ein.

Besonders im Gedächtnis blieb die Aussage „Juden in Deutschland haben immer auf gepackten Koffern gelebt.“ Er selbst habe dies in seiner Familie mitbekommen, da seine Eltern sich in Deutschland nie richtig wohlgefühlt haben und sich in ihrer ganzen Zeit in Deutschland nie als Deutsche identifizieren konnten. Auf die Frage „Seid Ihr Deutsche?“ antworteten sie immer nur mit: „Nein, wir sind Juden“.

Auf die Frage, wodurch es seiner Meinung nach zu Antisemitismus komme, führte Abraham Lehrer dieses Phänomen vor allem auf einen Mangel an Wertevermittlung in der Erziehung zurück. Er selbst musste schon seit seiner Jugend mit antisemitischen Begegnungen umgehen, vor allem aber mit Stereotypen und Vorurteilen, die viele Menschen Juden gegenüber hatten und auch immer noch haben.

Herr Lehrer berichtete zudem, dass auch seine Kinder mit menschenverachtenden Beleidigungen konfrontiert wurden. Er erhoffe sich zwar, dass seine Enkel in Deutschland blieben, sei sich dessen aber nicht sicher, da es in Deutschland immer noch rechtsradikales und antisemitisches Gedankengut gebe, das zunehmend ungehemmter präsentiert werde.

Herr Lehrer beendete seinen Vortrag, indem er an die Werte unserer offenen, demokratischen Gesellschaft erinnerte und uns dazu aufforderte, Vorurteile als solche zu durchschauen und durch persönliche Begegnung und Dialog zu überwinden. In diesem Zusammenhang wies Herr Lehrer bereits jetzt auf Veranstaltungen der jüdischen Gemeinde Köln zu ihrer 1700-Jahrfeier 2021 hin. Spätestens hier bieten sich uns allen weitere Chancen zur Begegnung mit Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland.

Caroline Schnetzer, Cosima Thiele (Schülerinnen der Q1)